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„Versichertes Chaos – Sturmschäden während der Dachsanierung“

- Der Weg zur richtigen Versicherung -

Einleitung

„Wer nicht aufpasst, verschenkt hier Geld“ Dieses Thema wird sogar in der Fachwelt recht kontrovers diskutiert und man ist sich stets uneinig, wer letztendlich den Schaden in welchem Umfang zu regulieren hat. Dabei ist es ganz einfach, wenn man weiß, worauf es ankommt.

Der Hintergrund des Beitrages besteht darin, dass ein Versicherungsnehmer an seinem Mehrfamilienhaus eine Sanierung zur Minimirung des Energieverbrauchs durchführen lassen wollte. Dies hat er seinem Gebäudeversicherer auch so mitgeteilt.

Steildachsanierung (Bild: © ILS-Bau-Consulting)

Zusätzlich war das Objekt während der gesamten Sanierungsmaßnahme durch die Mieter bewohnt. Das Dach wurde durch den beauftragten Dachdecker mit einer Unterspannbahn versehen, die dafür sorgt, dass Regen abgeleitet wird, der durch den Wind unter die Ein-deckung gerät. Bei einem aufkom-menden Gewitter wurde die Vorde-ckung von einer Sturmböe erfasst und abgedeckt. Niederschlagswasser drang ins Gebäudeinnere ein und verursachte einen Nässeschaden vom Dachge-schoss bis ins Kellergeschoss. Nicht nur das Gebäude war betroffen, sondern auch der Hausrat der Mieterparteien.

Die Frage, die jetzt aufkam, war, wer zahlt den entstandenen Schaden. Steildachsanierung

(Bild: © ILS-Bau-Consulting)

Kontroverses Dilemma

Auf den ersten Blick könnte man mei-nen, dass einzig der ausführende Handwerker für den entstandenen Schaden einzustehen hat. Immerhin scheint es dieser versäumt zu haben, sein unfertiges Gewerk hinreichend gegen Umwelteinflüsse abzusichern und dafür Sorge zu tragen, dass das Eigentum seines Vertragspartners und der Mieter bei Durchführung der Sanie-rungsmaßnahmen keinen Schaden nimmt.

Die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter des Vertragspartners folgt aus § 241 Abs.2 BGB; die Haftung bei Missachtung aus § 280 Abs. 1 BGB. Gegenüber den Mietern könnte zudem eine deliktische Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Beschädigung des Eigen-tums in Betracht kommen.

Hinzu kommt, dass zum Schadenszeit-punkt normalerweise auch weder eine Teilabnahme noch eine Endabnahme der Dachdeckerarbeiten vorliegt, so-dass die Gefahr alleinig beim ausfüh-renden Handwerker liegt, und man deshalb davon ausgehen könnte, dass die Gebäudeversicherung des Eigen-tümers nicht greift.

Es erscheint, als sei der Weg damit vorgegeben: Man nimmt den Handwerker in Anspruch, der den Schaden dann normalerweise seiner Betriebshaftpflichtversicherung meldet.

Es erscheint, als sei der Weg damit vorgegeben: Man nimmt den Handwerker in Anspruch, der den Schaden dann normalerweise seiner Betriebshaftpflichtversicherung meldet.

Das Pendant zur zuvor benannten Haftpflichtregulierung des Handwerkers wäre der Gebäudeversicherer des Eigentümers. Letzterer versichert über die Allgemeinen Wohngebäude Versicherungsbedingungen (VGB) die Gefahren Sturm und Hagel, Brand etc., wenn daraus ein Folgenschaden am Gebäude des Versicherungsnehmers entsteht. In dem geschilderten Fall könnte die Regulierungsverantwortung des Gebäudeversicherers darin untermauert werden, dass die bereits angebrachten Bauteile/-stoffe fest mit dem versicherten Gebäude verbunden wurden.

Gleiches gilt auch für den Hausratversicherer. Denn auch dieser versichert die entstandenen Schäden durch die Gefahren Sturm und Hagel am versicherten Inventar im und am versicherten Ort.

Fakten zur Regulierung

Ein besonderes Augenmerk ist jedoch darauf zu richten, dass nicht alle ent-standenen Schäden durch die Betriebs-haftpflichtversicherung des ausführen-den Handwerkers abgedeckt werden.

Der sogenannte Erfüllungsschaden, sprich das beschädigte Bauteil bzw. die falsch ausgeführte vertraglich geschuldete Leistung (Vordeckung, Dach etc.), genießen im Generellen keinen Deckungsschutz. Derartige Schäden müssen somit durch den Handwerker im Rahmen seiner Gewährleistungsverpflichtung eigenverantwortlich getragen und beseitigt werden. In unserem besagten Fall würde die abgerissene Unterspannbahn daher nicht durch den Betriebshaftpflichtversicherer reguliert werden. Wenn beim Betriebshaftpflichtversicherer des Handwerkers keine Deckung vorliegt, bedeutet dies also nicht automatisch, dass keine Haftungsansprüche gegenüber dem verursachenden Handwerker geltend gemacht werden können. Dies sind demnach Schäden, für die der Handwerker selbst einzustehen hat.

Neuwert vs. Zeitwert

Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass es im Bereich der unterschiedlichen Versicherungszweige (Haftpflicht, Gebäude- oder Hausratversicherung) auch unterschiedliche Regulierungsgrundlagen gibt.

Im Bereich sämtlicher Haftpflichtschäden dient im Allgemeinen der Zeitwert als Regulierungsgrundlage. Hier wird durch die Versicherungsgesellschaften nur der Wert reguliert, den die beschädigte Sache vor Schadenseintritt noch an Wert aufwies. Dies führt oftmals zu Diskrepanzen zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten und der letztendlichen Regulierungsentschädigung der Versicherungsgesellschaft. Diese Differenz ist auch nicht nachträglich durch den Verursacher auszugleichen, da es  bei der Zeitwertregulierung  in erster Linie darum geht, eine Übervorteilung des Anspruchstellers auszuschließen. 

Es gibt jedoch Ausnahmen in der Haftpflichtregulierung, bei denen die Zeitwertregulierung nicht zu Grunde gelegt werden kann. Dies geschieht immer dann, wenn eine durchgeführte Teilerneuerung oder Teilinstandsetzung zu keiner wesentlichen Werterhöhung der instand zu setzenden oder wiederzubeschaffenden Sache führt. Oder die Kosten der Reparaturmaßnahme den Wert der beschädigten Sache vor Schadenseintritt nicht überschreitet. Unter diesen Umständen ist der sogenannte Neuwertabzug oder umgangssprachlich der Abzug „Neu für Alt“ nicht gerechtfertigt und der Versicherer hat die tatsächlich entstandenen Kosten zu entschädigen.

In diesem Falle spricht man dann auch von einer Neuwertregulierung. Diese Regulierungsart des Neuwertes liegt auch bei den Gebäudeversicherungen vor – mit den Versicherungs-Gebäude-Bedingungen (ab VGB.88) – solange hier nicht etwas Gesondertes vereinbart wurde. Diesbezüglich ist der Gebäudeversicherer verpflichtet, die tatsächlich entstandenen Kosten zu regulieren.

Bei der Hausratversicherung geht es eher um den Wiederbeschaffungswert der Sache nach gleicher Art und Güte. Da hier ein umfänglicher Markt für Hausratgegenstände des täglichen Gebrauchs vorhanden ist, wird diesbezüglich auch eher weniger der Neuwert reguliert, sondern vorrangig der Wiederbeschaffungswert auf dem Gebrauchtmarkt. Nur Gebrauchsgegenstände, die auf dem gegenwärtigen Gebrauchtmarkt nicht erhältlich sind oder Hausratgegenstände, die nicht in erster Linie dem alltäglichen Gebrauch (Hobbygegenstände, Antiquitäten) zugeordnet werden können, werden  in der Regulierung gesondert betrachtet.

Wie jetzt anhand der zuvor benannten Belange erkennbar ist, stehen nunmehr nicht nur verschiedene Regulierungsmodalitäten wie:

  • Zeitwert
  • Neuwert
  • Wiederbeschaffungswert
  •  

sondern auch unterschiedliche Haftende zur Diskussion, wie:

  • Haftpflichtversicherung des Dachdeckers
  • Haftungsanspruch gegenüber dem Dachdecker selbst
  • Gebäudeversicherer des Versicherungsnehmers
  • Hausratversicherer der Mieterparteien
  •  

Soviel zum Überblick.

Nur unter welchen Umständen und normativen Vorgaben können die einzelnen Protagonisten nun in ihre Verantwortung genommen werden?

Worauf es ankommt

Wie bereits zu Beginn benannt, muss natürlich zuerst ein Schaden im Sinne der Gebäudeversicherungsbedingungen (VGB) durch eine versicherte Gefahr wie zum Beispiel durch Sturm vorhanden sein. Weitere versicherte Gefahren sind

  • Brand
  • Blitz- und Überspannungsschäden
  • Explosion, Implosion und Verpuffung
  • Anprall und Absturz von Luftfahrzeugen sowie dessen Ladung
  • Leitungswasserschäden
  •  

sowie daraus resultierende Folgeschäden.

Um diese Gefahren jedoch auch unter abweichenden Bedingungen wie der benannten Sanierung weiterhin abgesichert zu wissen, sollte der Versicherungsgesellschaft die Möglichkeit geboten werden, eine Einschätzung der vorliegenden Gefahrenerhöhung vornehmen zu können. Hierbei handelt es sich nämlich nach dem Versicherungsvertragsgesetzt (§ 23 des VVG) um eine Verpflichtung der Auskunftsobliegenheit des Versicherungsnehmers. Sicherlich könnte darüber diskutiert werden, inwieweit die besagte Sanierung eher als unerhebliche Gefahrenerhöhung (§ 27 VVG) zu deklarieren wäre, da der Versicherer bereits bei Vertragsabschluss davon ausgehen muss, dass Sanierungen und Instandsetzungen an Bestandsimmobilien anfallen werden. Um das Risiko anfallender Diskussionen zu minimieren, empfiehlt es sich, die Versicherungsgesellschaft vor Beginn der Maßnahmen darüber in Kenntnis zu setzen. Somit ist sichergestellt, dass kein Deckungsversagen bei Schaden einer versicherten Gefahr zu erwarten ist und eine Regulierung zum vereinbarten  (Neu-) Wert vorausgesetzt werden kann.

Wenn nunmehr ein verschuldetes Verhalten des beauftragtes Handwerkers (nicht sach- u. fachgerechte Arbeiten oder Unterlassen einer ordnungsgemäßen Absicherung) vorliegt, ergeben sich für den Gebäudeeigentümer zwei haftungsrelevante Ansprechpartner. Hier könnten der geschädigte Gebäudeeigentümer sowie die Mieter zwischen den beiden Haftenden wählen. Bezüglich der besagten Zeitwertregulierung im Haftpflichtschaden stellt es sich als selbsterklärend dar, dass hier die Regulierung des Gebäudeeigentümers eher durch den Gebäudeversicherer erfolgen sollte.  Wichtig ist jedoch, dass ebenfalls auf Grund der Auskunfts- und Mitwirkungsobliegenheiten des Versicherungsnehmers die Versicherungsgesellschaft über den Haftungsanspruch gegenüber Dritte informiert wird.

Der Anspruch gegenüber Dritten geht jetzt nunmehr auf Grundlage des Versicherungsvertragsgesetzes (§ 86 VVG) auf den regulierenden Versicherer über. Das bedeutet, dass nach abgeschlossener Regulierung gegenüber dem Geschädigten die Versicherungsgesellschaft ihren Regeressanspruch zum Zeitwert gegenüber dem Haftpflichtversicherer sowie verursachenden Handwerker gelten machen kann.

Zusammenfassend

Liegt also ein versicherter Sachschaden am Gebäude oder Inventar im Sinne der jeweiligen Versicherungsbedingungen vor und wurde die Gefahrenerhöhung durch den Versicherungsnehmer dem Versicherer im Vorfeld der Arbeiten angezeigt und wurde auch der vorliegende Haftungsanspruch gegenüber dem Dritten – dem Handwerker – dem Gebäudeversicherung zur Kenntnis gebracht ,so wäre dem Geschädigten zu empfehlen, den Gebäudeversicherer um Regulierung zu ersuchen. Dann würde dem Geschädigten nämlich die Neuwertregulierung zu Gute kommen.  

Der Versicherungsnehmer kann somit wählen, wen er zur Regulierung heranziehen möchte. Die Wahl sollte gut überlegt sein.

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